Leuchtende Nachtwolken
Wolken gibt es nicht nur in der Troposphäre, der sogenannten "Wetterschicht". Auch weit oben, in der Mesosphäre gibt es Wolken, die "Leuchtenden Nachtwolken". Was es damit auf sich hat und wie die Wolken
überhaupt entstehen und ob sie auch wirklich "leuchten", soll auf dieser Seite geklärt werden.
Gliederung
HINWEIS: Viele Sachen bauen auf die Wolken auf. Wer sich damit noch nicht beschäftigt hat, sollte das unbedingt tun: Wolken.
1. Einschub: Mesosphäre und Windzirkulation
Leuchtende Nachtwolken entstehen in der Mesosphäre, genauer gesagt in der Mesopausenregion, also vom Übergang von der Mesosphäre ind die Thermosphäre. Deshalb sind nochmals ein paar Sachen der Mesosphäre
zu klären. Einige Sachen wurden bereits in
Atmosphäre angesprochen, unter anderem, dass die Temperatur in der Mesosphäre wie in der Troposphäre mit zunehmender Höhe abnimmt.
Zusätzlich gibt es eine Zirkulation, welche bereits in der Stratosphäre beginnt und sich bis in die Mesosphäre erstreckt. Dabei handelt es sich um die auch bereits in
Atmosphäre
erwähnte
Brewer-Dobson-Zirkulation, wobei Schwere- und Rossby-Wellen aus der Troposphäre der Antrieb dieser Zirkulation sind. Im Winter hat die Zirkulation zur Folge, dass Luft großflächig in der
Mesosphäre absinkt. Wie aus der
Synoptik bereits bekannt, erwärmt sich Luft beim Absinken adiabatisch auf. Die Mesosphäre
erwärmt sich also im
Winterhalbjahr. Im Sommer ist es genau umgekehrt, die Luft steigt durch die Zirkulation großflächig auf und
kühlt sich dabei adiabatisch ab. Dabei wird es im Bereich der Mesopausenregion am
kältesten, ehe die Temperatur in der Thermosphäre wieder ansteigt.
Die Zirkulation hat auch zur Folge, dass Luft aus der Stratosphäre in die Mesosphäre gemischt wird. Luft, welche in die Stratosphäre gelangt ist, kommt also auch in die Mesosphäre. Eine besonders große
Rolle spielen dabei Vulkanausbrüche oder sehr große Waldbrände. Deren Asche-, bzw. Rußwolken steigen bis in die Stratosphäre auf und reichern die Luft mit
Aerosolen an. Diese Aerosole kommen mit
der Zirkulation auch in die Mesosphäre. Diese Aerosole sind wie bei Wolken ein entscheidendes Kriterium zur Bildung von leuchtenden Nachtwolken.
Kleine Gesteinsbrocken wie
Meteoriten verglühen zum großen Teil in der Mesosphäre, da hier die Luft dann bereits ausreichend dicht ist und darüber in der Thermosphäre noch zu dünn. Durch das
Verglühen bleiben ein paar Reste in der Mesosphäre als weitere Aerosole übrig und tragen somit auch zur Bildung von leuchtenden Nachtwolken bei.
Es sei noch beachtet, dass die Luft durch die Zirkulation im Jahr auch wieder ausgetauscht wird. Die vorher eingetragenen Aerosole werden also nach einer gewissen Zeit (hängt von der Art der Aerosole ab)
wieder aus der Mesosphäre entfernt, während zeitgleich aber neue Aerosole aus der Stratosphäre folgen. Besonders nach massiven Vulkanausbrüchen ist die Aerosolkonzentration merklich erhöht. Man hat dabei
auch festgestellt, dass dann besonders viele leuchtende Nachtwolken entstehen, zumal mit den Ausbrüchen auch Wasser bis in die Mesosphäre gelangt. Dieser Zusammenhang mit Vulkanausbrüchen wurde erstmals
nach dem Ausbruch des "Krakatau" am 27.08.1883 nachgewiesen.
Zu guter Letzt sei noch die Sonnenaktivität erwähnt. Diese durchläuft einen Sonnenflecken-Zyklus, welcher in
Polarlichter allgemein bereits beschrieben wurde. Beim Maximum
strahlt die Sonne besonders hochenergetische UV-Strahlung aus. In der Mesosphäre fehlt dabei noch das Ozon, sodass hier Moleküle durch die Strahlung aufgespalten werden. Dies betrifft dann auch
Wassermoleküle. Die Sonnenaktivität wirkt sich also auch auf die Bildung von leuchtenden Nachtwolken aus, wobei die Anzahl der Bildung im solaren Maximum am geringsten ist.
2. Leuchtende Nachtwolken
In diesem Kapitel soll es dann jetzt um das eigentliche Thema gehen: nämlich Leuchtende Nachtwolken oder kurz NLCs (englische Abkürzung für noctilucent clouds),
wobei die Abkürzung auch im folgenden häufig benutzt wird. Dabei soll es um die Entstehung dieser besonderen Wolken gehen, sowie deren Erscheinungsbild.
NLCs entstehen in erster Linie wie "normale" Wolken in der Troposphäre. Doch im Gegensatz zur untersten Atmosphärenschicht ist die Mesosphäre extrem trocken, es ist also nur sehr wenig Wasser vorhanden.
Der entsprechende Dampfdruck ist sehr niedrig und man benötigt sehr tiefe Temperaturen im deutlich negativen Bereich. Erst dann kann der Wasserdampf zu Eis resublimieren. Damit aber erst einmal Eis
entstehen kann, benötigt es, wie auch bei den troposphärischen Wolken, Eiskeime, also auch Aerosole. Wie oben beschrieben verglühen in der Mesosphäre Meteore, aber auch Vulkanausbrüche tragen einen
entscheidenden Beitrag beim Eintrag von Aerosolen in die Mesosphäre bei. An diesen Aerosolen kann sich dann Eis anlagern.
Es hat sich herausgestellt, dass für die nötige Eisbildung Temperaturen von unter -100°C nötig sind. Diese extrem tiefen Temperaturen werden nur im Sommer von Mai bis August in der oberen Mesosphäre,
genauer in der Mesopausenregion, erreicht, wenn die Luft großräumig in der Mesosphäre aufsteigt und sich dabei adiabatisch abkühlt. Deswegen sieht man Leuchtende Nachtwolken auch nur in den Sommermonaten,
da im restlichen Jahr die Mesosphäre einfach zu warm für Eisbildung ist.
Die sich durch das Eis bildenden Leuchtenden Nachtwolken leuchten natürlich nicht, vom Prinzip her sind sie fast wie Cirren, doch sie haben nur eine sehr geringe optische Dichte. Sie schwächen also kaum
das Licht ab und sind tagsüber aufgrund der Lichtstreuung in der Atmosphäre gar nicht sichtbar. Erst wenn die Lichtstreuung in den unteren Atmosphärenschichten abnimmt, dann werden sie sichtbar. Dies ist
dann der Fall, wenn die nautische Dämmerung beginnt, die Sonne also 6° unter dem Horizont steht. Sowohl in der Tropo-, als auch in Teilen der Stratosphäre ist die Sonne untergegangen und es kann kein
Sonnenlicht mehr in der Luft gestreut werden. In der Mesosphäre ist die Sonne dagegen noch über dem Horizont. In der Mesosphäre ist die Luft aber bereits so dünn, sodass hier nur noch sehr wenig Licht
gestreut wird. Genau ab diesem Zeitpunkt werden die Leuchtenden Nachtwolken dann sichtbar, denn diese stehen dann auch noch im Sonnenlicht und reflektieren dieses. Es sieht somit so aus, als ob sie
"leuchten" würden. Erst wenn die Sonne unter 16° unter dem Horizont sinkt, dann gelangen auch die NLCs in den Erdschatten und sind somit auch nicht mehr sichtbar, da sie kein Sonnenlicht mehr reflektieren
können. Deshalb sind NLCs auch nicht immer die gesamte Nacht über sichtbar, dies besonders in der Mitte und im Süden Deutschlands, wo die Sonne auch im Sommer noch tiefer sinkt als in Norddeutschland.
Je weiter nördlich man sich befindet, um so größer werden die Chancen, dass sich NLCs bilden, da die Mesosphäre über dem Pol am kältesten ist und somit die Bedingungen für die Bildung von NLCs am besten sind.
Jedoch ist im hohen Norden im Sommer der Polartag und es wird gar nicht mehr ausreichend dunkel genug. Erst ab dem 70. Breitengrad und weiter südlich könne diese beobachtet werden. Damit hier aber NLCs
überhaupt sichtbar werden, müssen entweder NLCs weiter nördlich nach Süden geführt werden, oder es muss kältere Mesosphärenluft nach Süden gelangen, damit sich NLCs bilden können. Südlicher als der
45. Breitengrad treten NLCs nur sehr selten auf, da es dann meist einfach zu warm ist und die sehr dünnen Eiswolken wieder sublimieren.
Schematische Darstellung der Sichtbarkeit von NLCs
2.2. Erscheinungsbild, Strukturen und Formen
Leuchtende Nachtwolken sehen meist blau bis silbrig weiß aus. Grund dafür ist, dass die Ozonschicht langwelliges Licht, insbesondere orangenes Licht, absorbiert und somit überwiegend Blauanteile durchkommen.
Sinkt die Sonne in der Mesosphäre auch in Richtung Horizont, so ist auch an NLCs eine Art "Abendrot" erkennbar und sie erscheinen durchaus dann in gelblichen bis orangenen Farbtönen. Ist ein etwas größeres
NLC-Feld vorhanden, kann man häufig diese Abstufungen erkennen. Ein Beispiel soll hier mal gezeigt werden, wie so etwas aussieht:
Leuchtende Nachtwolken am Abend des 21. Juni 2019. Währen die NLCs meist blau bis silbrig weiß erscheinen, sind sie an der Oberkante zum Erdschatten gelb bis orange.
Die gelbe Farbe darunter stammt von verstärkter langwelliger Lichtstreuung in Horizontnähe.
Leuchtende Nachtwolken sind zu dem sehr dynamisch und verändern ihre Form teilweise sehr zügig. Dies soll mit einem kurzen Zeitraffer gezeigt werden:
Ein Zeitraffer von Leuchtenden Nachtwolken in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2025.
Hier auch wieder teilweise die gelbe bis orangene Farbe der NLCs sichtbar, wenn diese zunehmend in Horizontnähe und in den Erdschatten wandern. Außerdem fällt in dem Zeitraffer auf, dass die Leuchtenden Nachtwolken
teilweise verschiedene Strukturen und Formen ausweisen und diese sich mit der Zeit auch durchaus verändern oder in eine andere Form übergehen. Insgesamt unterscheidet man zwischen vier Formengruppen mit
jeweils noch Untertypen:
- Typ I: Schleier, strukturloser "Vorhang"
- Typ II: Bänder, bzw. Streifen, welche nahezu parallel verlaufen. Man unterscheidet noch zwischen zwei Untertypen:
- IIa: Bänder, bzw. Streifen mit diffusen verwaschenen Kanten
- IIb: Bänder, bwz. Streifen mit scharfen Kanten
- Typ III: Wellen, welche wie Rippen oder Fischgräten aussehen. Auch hier unterscheidet man zwischen zwei Untertypen:
- IIIa: kurze, gerade, schmale Striche oder Linien
- IIIb: Wellenstrukturen mit durchaus mehreren Wellen
- Typ IV: Wirbel, bzw. Bögen, sowie verschlungene Strukturen. Hier unterscheidet man zwischen drei Untertypen:
- IVa: Wirbel mit einem Radius, welcher 0,1 bis 0,5° entspricht
- IVb: Bögen, welche einen Radius von 3 bis 5° haben
- IVc: großskalige Wirbel
Außerdem gibt es noch Gruppen für komplexere Strukturen:
- Typ O: Formen, welche sich nicht in die obigen vier Typen einordnen lassen
- Typ S: die NLCs haben helle Knoten
- Typ P: Wellen, welche ein Band kreuzen
- Typ V: Struktur, die wie ein Netz aussieht
In dem obigen Video sind gleich mehrere Strukturen erkennbar. Im oberen Bereich sind es definitiv Wellenmuster (Typ IIIa+b) und Streifen, bzw. Bänder sowohl mit diffusen als auch scharfen Kanten (Typ IIa+b).
Weiter unten zum Horizont ist die Struktur nicht immer ganz klar und schwankt zwischen Typ O und Typ I. Zu dem kann man auch zweitweise die Typen S, P und V, sowie IVa sehen. Mit anderen Worten: da waren
fast alle Struktur- und Formtypen dabei.
2.3. NLCs vs Cirren
Dass NLCs in der oberen Mesosphäre in Mesopausenregion und Cirren in der Troposphäre auftreten, ist sicherlich klar. Aber so ganz eindeutig ist es bei der Beobachtung manchmal nicht. Ein Beispielbild:
Die Wolken in Horizontnähe sind defintiv troposphärisches Gewölk in Form von Stratocumulus. Darüber wird es tatsächlich etwas kniffliger. Tatsächlich handelt es sich hierbei um helle NLCs zusammen mit Cirren,
welche durchaus wie NLCs aussehen. Und genau die Unterscheidung zwischen NLCs und Cirren ist oftmals der Knackpunkt und man lässt sich dann auch schon mal beirren. Allerdings gibt es durchaus gute Merkmale, wie
man Cirren von Leuchtenden Nachtwolken unterscheiden kann. Ein sehr großes Unterscheidungsmerkmal ist die
Zugrichtung. In der Mesosphäre kommen die Winde größtenteils aus östlichen Richtungen,
sodass NLCs von östliche nach westliche Richtungen ziehen. In der Troposphäre kommen die Winde in Mitteleuropa zum großen Teil aus Westen, sodass troposphärisches Gewölk und somit Cirren in östliche Richtungen
ziehen. Dies war auch an diesem Tag, dem 18.06.2024, der Fall, was in folgendem Video gezeigt werden soll:
NLCs und Cirren am Morgen des 18. Juni 2024. Man erkennt gut, dass die NLCs sich westwärts bewegen, während die darunter liegenden Cirren nach Osten ziehen.
Problematisch wird es dann, wenn die Cirren auch westwärts ziehen, was durchaus mal vorkommt. In sehr seltenen Fällen ziehen sogar NLCs nach Osten. Dann reicht die Unterscheidung allein durch die Zugrichtung
nicht aus. Außerdem kann man Cirren auch schon als NLCs ansehen, wenn tiefere Wolken nach Osten ziehen und das höhere Eisgewölk nach Westen (kommt auch immer wieder mal vor). Deswegen müssen weitere
Unterscheidungsmerkmale herangezogen werden. Einf weiteres großes Unterscheidungsmerkmal ist:
NLCs werden mit zunehmender Dämmerung heller, Cirren verblassen dagegen. Auch das ist nicht
immer einfach. Was aber noch ein großes Merkmal dazu ist: Cirren leuchten zu Beginn, bzw. zum Ende der Dämmerung häufig in rötlichen Farben, was auch zum Ende des obigen Videos erkennbar ist.
Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist, dass
NLCs im Erdschatten nicht sichtbar sind, Cirren dagegen schon. Besonders gemein wird es, wenn Cirren durch das Mondlicht beschienen werden und
somit auch silbrig weiß erscheinen wie NLCs. Sie werden aber niemals so schön farbig erscheinen wie Leuchtende Nachtwolken.
Wenn alles nicht hilft, dann kann man eine Unterscheidung mit Hilfe einer Triangulation machen. Dazu braucht man zwei Bilder von unterschiedlichen Standorten und kann dann die Höhe der Wolken bestimmen.
3. Beobachtung von NLCs
Wie im zweiten Kapitel schon beschrieben, treten Leuchtende Nachtwolken bei einem Sonnenstand zwischen 6° und 16° unter dem Horizont auf. In seltenen Fällen können NLCs auch bereits bei einem Sonnenstand
von 3° unter dem Horizont auftreten und eventuell auch noch bis zum Ende der astronomischen Dämmerung (Sonne 18° unter dem Horizont), was aber eher die Ausnahme darstellt. Deshalb sollte man den Bereich
der erwähnten Sonnenstände sich merken. Wenn man aber schon etwas früher am Beobachtungsort ist, ist das auch nicht schlimm. Generell ist auf jeden Fall wichtig, dass man freien Blick zum Nordhorizont
haben sollte!
Leuchtende Nachtwolken treten in Mitteleuropa häufig am Nordhimmel je nach geografischer Lage bis 20° Höhe über dem Horizont auf. Es gab auch schon NLC-Felder, welche bis zum Zenit oder sogar über den Zenit
hinaus reichten (sind dann aber schon die Extreme). Generell sollte man den Bereich von Nordwesten bis Nordosten im Auge behalten.
NLCs treten schon in einem Bereich auf mit relativ wenig Licht. Sie selbst können schon sehr lichtschwach sein, sodass man möglichst fern von möglichen Lichtquellen sein sollte. Bei helleren Displays
ist das aber nicht mehr zwingend notwendig. Hellere Leuchtende Nachtwolken können also auch bei Lichtverschmutzung beobachtet werden (anders als zum Beispiel bei Polarlicht). Wenn man allerdings Fotos machen
möchte, sollte man bedenken, dass man vielleicht länger belichtet und somit ein Stativ braucht, um am Ende Verwackelungen zu vermeiden.
Als guten Anhaltspunkt kann man vor einer möglichen Beobachtung schon mal irgendwelche Webcams anschauen, ob es vielleicht schon NLCs gibt. Auch können vielleicht schon NLCs von anderen Beobachtern
gemeldet worden sein. Auch Satellitendaten und Radare können da helfen. Zum Beispiel das
OSWIN-Radar in Kühlungsborn. Dieses empfängt bei entsprechender NLC-Aktivität Echos. Sind die Echos besonders kräftig und sind zu dem bereits bis kurz vor Sonnenuntergang sichtbar, dann steigen
durchaus die Chancen für Leuchtende Nachtwolken (aber nicht vergessen: Ausnahmen gibt es immer!). Wichtig sind auch die entsprechenden Winde in der Mesopausenregion, denn wenn diese nach Süden gerichtet
sind, wird aus nördlicheren Breiten kältere Luft herangeführt, was die Bildung oder das Herantransportieren von NLCs deutlich erhöht. Die Winde kann man beim
IAP-Kühlungsborn nachschauen.
© 2025 Marcel Becker